Das Dekubitalgeschwür

Von Bernd Hubert, Manager Operations Rogg Verbandstoffe GmbH&Co.KG

Bernd Hubert, Manager Operations
Bernd Hubert, Manager Operations

Entstehung

Der Dekubitus ist eine Verletzung der oberflächlichen Haut und/oder des darunter liegenden Gewebes,das durch anhaltende lokale Druckeinwirkung verursacht wird.Durch Zusammendrucken der Kapillargefäße kommt es zu einer verminderten Durchblutung und zu Sauerstoffmangel in dem aufliegenden Hautgebiet. Etwa 2 Stunden beträgt die Toleranz derHautzellen, d.h. innerhalb dieses Zeitrahmens trägt das betroffene Gewebe bei einem gesunden Erwachsenen in der Regel keinen Schaden davon.Bei Entlastung füllen sich die Kapillaren reaktiv mit Blut, das betroffene Areal zeigt eine intensive Rötung. Blasst diese Rötung bei leichtem Fingerdruck (Fingertest) ab, ist das das Zeichen dafür, dass die Mikrozirkulation noch intakt ist. Normalerweise reagiert der Körper auf das Überschreiten der Sauerstofftoleranz mit einem warnenden Druckschmerz, der den Menschen veranlasst, seine Lage zuändern und die entsprechenden Regionen zu entlasten.Ist der Mensch unfähig, diesen Schmerz wahrzunehmen oder aus eigener Kraft die Lage zu wechseln,führt die anhaltende Minderdurchblutung zu einer lokalen Entzündungsreaktion, Zellmembranschädigung und Ödembildung. Die dabei auftretende Hautrötung lasst sich bei Durchführung des Fingertests nicht mehr wegdrücken und bleibt auch nach Druckentlastung überlängeren Zeitraum bestehen.In diesem Stadium können sich die Zellen noch regenerieren, vorausgesetzt die Druckentlastung erfolgt vollständig und konsequent. Bei weiterhin bestehendem Druck kommt es zu einer irreversiblenSchädigung und Absterben der Hautzellen, das Dekubitalgeschwür entsteht. Lokal können bei der Entstehung des Geschwürs neben der Druckeinwirkung auch die Faktoren Reibung und Scherkräfte eine wichtige Rolle spielen. Reibung zwischen der Hautoberfläche und der Liege- bzw. Sitzfläche entsteht, wenn der Patient durch Ziehen in eine gewünschte Position gebracht wird.Scherkräfte entstehen durch das Zusammenwirken von Druck und Reibung. Rutscht der Patient in halb sitzender Position in seinem Bett nach unten, kommt es durch Verschiebungen im Unterhautfettgewebe zur Verdrillung von Blutgefäßen, die die Minderdurchblutung weiter verstärken.

Lokalisierung

Besonders häufig ist der Sakralbereich betroffen: 44,5 % aller Druckgeschwüre sind am Kreuzbein lokalisiert, gefolgt von den Fersen (19 %), den Sitzbeinen (13,1 %) und dem großen Rollhügel (8,8 %). Häufig entstehen an diesen Stellen Gewebenekrosen zuerst in der Tiefe bei oberflächlich intakter Haut (geschlossener Dekubitus). Die Defekte lassen sich z.B. an den Fersen als blau-schwarze Verfärbung unter der Haut erkennen oder machen sich (z.B. bei zu langer oder harter Lagerung auf OP-Tischen) erst mit zeitlicher Verzögerung von einigen Tagen in ihrem ganzen Ausmaß bemerkbar. Nicht selten finden sich in Folge unter relativ kleinen Hautläsionen ausgedehnte nekrotische Wundtaschen.

Basismaßnahmen bei derTherapie

Diese umfassen:

  • Eine reiche, hochkalorische Nahrung bzw. Zusatznahrung
  • Substitution von Vitamin C und Zink
  • Hautbeobachtung
  • Hautpflege
  • lnkontinenzmanagement
  • Behandlung chronischer Grunderkrankungen

 Druckentlastung

Wichtigste Kausaltherapie ist die kompromisslose Druckentlastung des betroffenen Hautareals. Ohne Druckentlastung ist eine Heilung nicht möglich und alle weiteren Maßnahmen erfolglos.

Wundbeurteilung

Das Ausmaß des Druckgeschwürs wird gemäß, der Stadieneinteilung nach NPUAP beschrieben. Der Schweregrad wird dabei von den zerstörten Gewebeschichten bestimmt.

Klassifikation Gradeinteilung nach NPUAP

  • > Grad l persistierende, umschriebene Hautrötung
  • > Grad ll oberflächliche Hautschädigung, Blase, Hautabschürfung oderflaches Geschwür
  • > Grad III Tiefe Schädigung der Haut und des Gewebes (Faszie/Muskel)
  • > Grad IV ausgedehnte Zerstörung (Muskeln/Knochen)

LokaleTherapie nach Dekubitusstadien

Stadium l

Mit sofortiger, konsequenter Druckentlastung nach patientenindividuellem Lagerungs- /Bewegungsförderungsplan bildet sich die Hautschädigung vollständig zurück. Weitere lokale Maßnahmen sind unnötig. Vorsicht ist geboten bei der Anwendung von Wundfolien oder Hydrokolloidverbänden. Die Auflagen vermindern zwar Reibung und Scherkräfte, ersetzen aber auf keinen Fall die druckentlastenden Lagerungsmaßnahmen.

 Stadium ll

Mit sofortiger, konsequenter Druckentlastung durch Um- und Weichlagerung nach Lagerungsplan heilt die Läsion in der Regel folgenlos ab. Nach Reinigen und Entfernen von Blasenresten oder Hautfetzen wird die Wunde je nach Exsudatmenge mit einer Wundfolie, einem Hydrokolloidverband oder einer (selbstklebenden) Schaumstoffkompresse abgedeckt. lm feuchten Milieu unter der Wundauflage verläuft die Reepithelisierung des Oberflächendefekts unter idealen Bedingungen.

 Stadium lll

Sofortige, konsequente Druckentlastung nach Lagerungsplan ist Voraussetzung für das Abheilen des Defekts. Reichen Umlagerungstechniken mit Weichlagerungshilfsmittel zur effektiven Druckentlastung

alleine nicht aus, müssen Spezialmatratzen oder -betten zum Einsatz kommen. Wichtigste lokale Maßnahme ist die Wundreinigung. Zu beachten ist, dass unterminierte Wundränder nur locker austamponiert werden (z.B. mit Alginaten), um zusätzlichen Druck und daraus folgenden Schaden zu vermeiden. Die Wunde wird regelmäßig auf Anzeichen einer vorliegenden lnfektion kontrolliert und bei Nachweis entsprechend lokal bzw. systemisch behandelt.

 Stadium IV

Hier gelten die allgemeinen Maßnahmen wie unter Stadium lll beschrieben. Bei ausgedehnten Defekten, multiplen tiefen Ulzera, Osteomyelitis der im Wundgrund liegenden Knochen, Gelenkbeteiligung oder vitalen lndikationen (Sepsis, akute arterielle odervenöse Blutung aus geschädigten Gefäßen) erfolgt eine primär chirurgische Behandlung.

 

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